Machergeschichten
9 Fragen zum Arbeitsrecht an unseren Rechtsexperten Dr. Gerold Papsch
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9 Fragen zum Arbeitsrecht an unseren Rechtsexperten Dr. Gerold Papsch

Gelbe Seiten: Auch wenn digitale Bewerbungen immer beliebter werden, versenden viele Bewerber ihre Unterlagen noch per Post. Darf der potentielle Arbeitgeber diese einfach behalten oder gar wegschmeißen?

Dr. Gerold Papsch: Auf unverlangt eingehende Bewerbungen braucht der Arbeitgeber nicht zu reagieren. Die Bewerbungsunterlagen sind in einem solchen Fall nur zurückzusenden, wenn der Bewerber einen Freiumschlag beigelegt hat. Eine Rechtspflicht besteht dazu jedoch nicht. Meldet sich der Bewerber innerhalb einer angemessenen Frist nicht erneut, können die Unterlagen vernichtet werden.

Etwas anderes gilt für Bewerbungen, zu denen der Arbeitgeber aufgefordert hat. Dabei spielt es keine Rolle, ob dies allgemein über Inserate oder zum Beispiel über die Agentur für Arbeit erfolgt ist. Den Bewerbern sind neben einer üblichen Eingangsbestätigung die Unterlagen nach Abschluss des Bewerbungsverfahrens vollständig auf Kosten des Arbeitgebers zuzuleiten. Bis dahin sind die Unterlagen sorgsam aufzubewahren.

Gelbe Seiten: Muss der aktuelle Arbeitgeber seine Mitarbeiter für Bewerbungsgespräche in anderen Unternehmen freistellen?

Dr. Gerold Papsch: Wenn Ihnen gekündigt wurde, hat Ihre Suche nach einem neuen Arbeitsplatz Priorität. Dann muss Sie Ihr Arbeitgeber unter bestimmten Umständen von der Arbeit freistellen. Sie müssen sich also nicht extra Urlaub nehmen. Unter welchen Bedingungen Sie Ihr Arbeitgeber freistellen muss, regelt § 629 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Welchen Umfang die Freistellung von der Arbeit haben muss, schreibt das BGB nicht vor.

Je nach Situation können aber durchaus bis zu 15 Tage Freistellung angebracht sein. Grundsätzlich darf Ihnen Ihr Arbeitgeber nach einer Kündigung die Freistellung von der Arbeit nicht ablehnen. Er darf auch nicht verlangen, dass Sie Ihren Resturlaub für die Stellensuche verwenden. Falls er es dennoch tut, können Sie Ihren Anspruch auf Freistellung gerichtlich durchsetzen.

Gelbe Seiten: Oft entstehen Kosten für das Vorstellungsgespräch. Muss der Bewerber diese ganz allein tragen?

Dr. Gerold Papsch: Lädt ein Arbeitgeber Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch ein, ist er grundsätzlich zur Übernahme der anfallenden Kosten verpflichtet. Hierzu gehören neben den Fahrtkosten auch Übernachtungs- und Verpflegungskosten. Zur Vermeidung unnötiger finanzieller Belastungen und späterer Streitigkeiten ist es für den potenziellen Arbeitgeber jedoch ratsam, eine eindeutige Regelung über den Umfang der zu erstattenden Kosten in die Einladung zum Vorstellungsgespräch aufzunehmen. Diese sollten Personaler dem Bewerber zukommen lassen.

Doch es gibt auch Ausnahmen von dieser Regel. Der Arbeitgeber kann den Anspruch des Bewerbers auf Ersatz der Kosten für das Vorstellungsgespräch auch von vornherein ausschließen. Dies ist zwar nicht üblich, aber durchaus zulässig. Dazu bedarf es einem ausdrücklichen und unmissverständlichen Hinweis des Personalers – und zwar vor dem Bewerbungsgespräch. Am besten erfolgt der Kostenausschluss in dem Brief oder in der E-Mail, in dem die Einladung zu dem Vorstellungsgespräch ausgesprochen wird.

Gelbe Seiten: Welche Fragen dürfen während eines Vorstellungsgesprächs nicht gestellt werden?

Dr. Gerold Papsch: Grundsätzlich sind alle Fragen unzulässig, die nicht im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen. Wenn einem Bewerber im Vorstellungsgespräch solche Fragen gestellt werden, hat er aus juristischer Sicht zwei Möglichkeiten: Er kann die Frage unbeantwortet lassen, oder sogar nicht wahrheitsgemäß antworten.

Zu den unerlaubten Fragen gehören besonders solche zur Familie oder zur eigenen Person: Haben Sie eine bestimmte Krankheit? Sind Sie in einer Beziehung? Wofür geben Sie Ihr Geld aus? Das alles.

Anders sieht es aus, wenn es sich um einen Job handelt, bei dem Schwangere nur bedingt oder gar nicht eingesetzt werden können. Das kann aus gesundheitlicher Gefährdung für die Mutter oder das Kind sein, oder wenn der notwendige körperliche Einsatz der Frau, beispielsweise als Model oder Tänzerin, mit einer Schwangerschaft unvereinbar ist.

Eine weitere Ausnahme besteht, wenn sich ein Unternehmen in einer politischen oder religiösen Richtung verortet. Dann sind Fragen nach politischem Interesse und eigenen Religiosität naheliegend und legitim.

Gelbe Seiten: Was kann ein Arbeitgeber tun, wenn ein Mitarbeiter beim Bewerbungsgespräch bewusst gelogen hat und dies nach der Einstellung herauskommt?

Dr. Gerold Papsch: Beantwortet ein Bewerber eine ihm zulässigerweise gestellte Frage falsch, kann das den Arbeitgeber berechtigen, den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Täuschung für den Abschluss ursächlich war.

Die Täuschung kann auch eine fristlose Kündigung rechtfertigen, wenn sie im Arbeitsverhältnis so stark nachwirkt, dass es dem Arbeitgeber unzumutbar ist, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen. Ein Beispiel dafür wäre, wenn ein Bewerber vorgibt, einen Führerschein zu haben und dieser für die Ausübung der Tätigkeit zwingend notwendig ist.

Gelbe Seiten: Sind Versprechungen, die dem Bewerber beim Vorstellungsgespräch gemacht werden, bindend?

Dr. Gerold Papsch: Generell sind ein mündlicher Arbeitsvertrag sowie zusätzliche mündliche Vereinbarungen bindend. Allerdings sind mündliche Absprachen erst dann Rechtsgültigkeit, wenn man sie beweisen kann. Möglichkeiten zum Beweis wären anwesende Zeugen oder eine Zusicherung z.B. per E-Mail. Sprachaufzeichnungen, die beispielsweise mit dem Smartphone aufgenommen wurden, sind vor Gericht nur dann zulässig, wenn alle Gesprächsparteien von der Aufzeichnung wussten und dieser zugestimmt haben.

Ein später geschlossener Vertrag in Schriftform schafft aber wieder eine völlig neue rechtliche Grundlage. Wenn im schriftlichen Arbeitsvertrag also plötzlich völlig andere Konditionen auftauchen als zuvor im mündlichen Gespräch vereinbart wurden, dann hat der Arbeitnehmer leider das Nachsehen. Wer sich absichern möchte, sollte also darauf achten, dass die mündlich zugesagten Versprechen auch im schriftlichen Vertrag aufgeführt sind.

Gelbe Seiten: Darf ein Arbeitgeber Erkundigungen beim aktuellen oder früheren Arbeitgeber einholen?

Dr. Gerold Papsch: Hierbei gibt es leider keine eindeutige gesetzliche Regelung. Allerdings kann man sich als Arbeitnehmer auf die informationelle Selbstbestimmung berufen. Demnach bestimmt jeder Einzelne selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten. Außerdem kann auf das Unmittelbarkeitsgebot verwiesen werden, wonach personenbezogene Daten unmittelbar beim Betroffenen erhoben werden sollen.

Sollte ein ehemaliger Arbeitgeber dennoch auf Erkundigungsversuche eingehen, hat er genauso wie beim Arbeitszeugnis auf die Balance zwischen Wahrheitspflicht auf und der Wohlwollenspflicht zu achten. Demnach darf er nicht von seinen Aussagen im bereits erstellten Arbeitszeugnis abweichen.

Gelbe Seiten: In welchen Fällen lohnt es sich, gegen eine Ablehnung zu klagen?

Dr. Gerold Papsch: In der freien Wirtschaft hat man in der Regel keine Möglichkeiten, sich in ein Arbeitsverhältnis einzuklagen. Hier gibt es jedoch gegebenenfalls Möglichkeiten, bei einer ungerechtfertigten oder diskriminierenden Ablehnung Schadensersatz zu verlangen.

Eine Ausnahme findet man allerdings im öffentlichen Dienst. Da sich jeder deutsche Bürger um ein öffentliches Amt bewerben kann und die Auswahl leistungsbezogen erfolgen muss, kann man die Gründe der Ablehnung erfragen. Bei Zweifeln an der Rechtsmäßigkeit der Ablehnung kann man gerichtlich vorgehen. So kann man die Einstellung von Mitbewerbern verhindern bzw. eine Neuauswahl erzwingen, wenn erhebliche Auswahlfehler vorliegen. Schwerbehinderte Bewerber haben im öffentlichen Dienst sogar einen Anspruch darauf, zum Vorstellungsgespräch geladen zu werden, sofern sie nicht offensichtlich ungeeignet sind.

Gelbe Seiten: Was kann ein Bewerber tun, wenn die Ablehnung diskriminierend war?

Dr. Gerold Papsch: Wenn Bewerber den Verdacht haben, dass die Ablehnung diskriminierend war, können sie rechtlich dagegen vorgehen. Laut dem Antidiskriminierungsgesetz (Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz) fallen darunter alle Ablehnungen aufgrund von Abstammung, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung, einer bestehenden Behinderung, wegen des Alters oder der sexuellen Identität.

Manchmal lassen sich Hinweise auf eine Benachteiligung schon in der Ausschreibung finden. Wenn zum Beispiel bevorzugt junge oder männliche Bewerber gesucht werden.

Gibt es Hinweise auf eine Diskriminierung, kann man innerhalb von zwei Monaten nach Kenntnisnahme schriftlich Schadensersatz geltend machen. Eine Einstellung hingegen kann man nicht erzwingen.

Gelbe Seiten: Haben Sie noch einen abschließenden Tipp für Bewerber?

Dr. Gerold Papsch: Gehen Sie alle Verträge in Ruhe durch und fragen Sie im Zweifelsfall nach – damit lässt sich viel Ärger vermeiden.