Vaskulitis: Was die chronische Entzündung der Blutgefäße für Betroffene bedeutet
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Vaskulitis: Was die chronische Entzündung der Blutgefäße für Betroffene bedeutet

Der Begriff „Vaskulitis“ umfasst unterschiedliche Formen von Entzündungen von Blutgefäßen, genauer: den Venen und Arterien. Bei Vaskulitiden handelt es sich um eine Reihe von chronisch-entzündlichen rheumatischen Erkrankungen. Diese gehören zu den Autoimmunkrankheiten, da das Immunsystem die Blutgefäße fälschlicherweise als „Feind“ einstuft und bekämpft. Die körpereigene Abwehr richtet sich gegen sich selbst. Eine Vaskulitis kann jede Körperregion betreffen. Die Beschwerden sind abhängig davon, welche Blutgefäße betroffen sind.

Was ist eine Vaskulitis?

Vaskulitiden (Einzahl: Vaskulitis) liegen Autoimmunprozesse zugrunde. Das Immunsystem bekämpft fälschlicherweise eigenes Gewebe. Es bildet sogenannte Autoantikörper, welche im Falle einer Vaskulitis die Blutgefäße attackieren. Die Folge sind andauernde Entzündungsprozesse, welche zu Verhärtungen und Vernarbungen führen. Die Funktion der Blutgefäße wird zunehmend eingeschränkt. Es treten Durchblutungsstörungen auf, die wiederum die Organfunktion beeinträchtigen beziehungsweise bis zum Absterben betroffener Gewebe (Infarkt) führen können. Die Symptome der Betroffenen können ganz unterschiedlich sein – je nachdem welche Blutgefäße betroffen sind. Häufig sind die Lunge und die Nieren in Mitleidenschaft gezogen. Doch auch die Haut, die Augen, andere innere Organe und sogar das Gehirn können betroffen sein. In Deutschland sind ungefähr 200 Menschen pro eine Million Einwohner an einer Vaskulitis erkrankt.

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Diese Vaskulitis-Formen gibt es

Ärzt:innen unterscheiden:

Primär-systemische Vaskulitiden unklarer Ursache: Es liegt keine ursächliche Grunderkrankung vor. Es handelt sich um eine eigenständige Autoimmunerkrankung. Zur primären Vaskulitis gehören unter anderem Riesenzellarteriitis, Kawasaki-Syndrom oder Purpura Schönlein-Henoch.

Sekundäre Vaskulitiden, die in Verbindung mit anderen chronisch-entzündlichen und autoimmunen Erkrankungen auftreten (etwa einer rheumatoiden Arthritis, systemischem Lupus erythematodes oder Krebs). Auch Infekte oder Medikamente können eine sekundäre Vaskulitis auslösen.

Vaskulitis im Gehirn: Welche Folgen hat die Blutgefäß-Entzündung?

Angaben der Deutschen Hirnstiftung e. V. zufolge ist eine Vaskulitis im Gehirn, auch zerebrale Vaskulitis genannt, äußerst selten. Zu den Hauptsymptomen, welche auf Durchblutungsstörungen im Gehirn zurückzuführen sind, gehören Schlaganfälle, epileptische Anfälle, starke Kopfschmerzen, Einschränkung der kognitiven Funktionen und/oder psychiatrische Auffälligkeiten. Diagnostiziert wird eine Vaskulitis im Gehirn mit Hilfe von Untersuchungen von Blut und Nervenwasser, Gehirn und hirnversorgenden Gefäßen. Manchmal wird etwas Gehirngewebe entnommen. Die Therapie hat das Ziel, die Entzündungsprozesse im Gehirn zu unterdrücken. Dazu werden Kortikoide mit anderen das Immunsystem unterdrückenden Präparaten kombiniert.

Was sind die wichtigsten Vaskulitiden?

Zu den wichtigsten Vaskulitiden gehören:

  • Vaskulitiden der großen Gefäße: Riesenzellarteriitis (Arteriitis temporalis), Takayasu-Arteriitis
  • Vaskulitiden der mittelgroßen Gefäße: Polyarteriitis nodosa (Panarteriitis nodosa), Kawasaki-Syndrom
  • Vaskulitiden der kleinen Gefäße: ANCA-assoziierte Vaskulitiden, Immunkomplex-Vaskulitiden (Leukozytoklastische Vaskulitiden)
  • Vaskulitiden von Gefäßen variabler Größe: Morbus Behcet
  • Einzelorganvaskulitis: Kutane leukozytoklastische Angiitis

Vaskulitis-Ursache: Wie entstehen die Gefäßentzündungen?

Warum sich der Körper plötzlich gegen eigenes Gewebe richtet, ist bislang nicht abschließend geklärt. Als mögliche Ursachen von Vaskulitiden werden genetische Faktoren, schwere Infektionen (etwa durch Viren), Schadstoffe, aber auch Hormonveränderungen und Stress diskutiert. Die Forschung geht bislang davon aus, dass als Vaskulitis-Ursache verschiedene Faktoren zusammentreffen, welche das Immunsystem überreagieren lassen und fehlleiten. Die Symptome entstehen als Folge der Entzündungsreaktionen, welche durch den Angriff des Immunsystems in den Blutgefäßen entstehen. Es können Durchblutungsstörungen auftreten, ebenso können Blut und Entzündungszellen aus den betroffenen Gefäßen austreten. Dies führt ohne entsprechende Behandlung langfristig zu Schäden an unterschiedlichsten Organen.

Wie funktioniert das Gefäßsystem?

Im Körper gibt es verschiedene Gefäße. Die Arterien (Schlagadern) führen das Blut vom Herzen weg. Die Venen leiten das Blut zum Herzen zurück. Den Übergang zwischen Arterien und Venen bilden die sogenannten Kapillaren, die kleinsten Blutgefäße im Körper. Die Kapillaren gewährleisten den Sauerstoffaustausch in den jeweiligen Organen.

Vaskulitis-Symptome: Wie macht sich eine Vaskulitis bemerkbar?

Welche Vaskulitis-Symptome auftreten, ist abhängig von den betroffenen Blutgefäßen. Das Symptombild kann sehr unterschiedlich sein. Eine Vaskulitis im Anfangsstadium zeigt sich meist durch unspezifische Beschwerden wie Erschöpfung, chronische Müdigkeit, Fieber, Gewichtsabnahme, nächtliche Schweißausbrüche sowie erhöhte Entzündungswerte im Blut. Im weiteren Verlauf treten oft Schmerzen an Gelenken oder Muskeln auf – oftmals im Bereich der Schultern und/oder der Beine. Auch eine Schwellung der Gelenke lässt sich häufig beobachten. Weitere mögliche Vaskulitis-Symptome sind:

  • Kopfschmerzen
  • Sehstörungen
  • gerötete Augen
  • Nasenbluten/ blutiger Schnupfen
  • Hörprobleme/ Hörsturz
  • Hautveränderungen, etwa Geschwüre, Knötchen, rote Flecken und Einblutungen
  • Taubheitsgefühle, etwa an Händen und Füßen
  • Lähmungen
  • Verdauungsbeschwerden wie Bauchschmerzen oder blutiger Durchfall
  • Bluthusten
  • Atemnot
  • Blut im Urin
  • Blutarmut
  • Organinfarkte
Vaskulitis: Welche:r Ärzt:in ist der erste Kontakt?

In den meisten Vaskulitis-Fällen lassen sich deutlich erhöhte Entzündungswerte im Blut nachweisen. Ebenfalls von Bedeutung sind charakteristische Eiweiße des Abwehrsystems, Autoantikörper sowie Immunkomplexe, welche Hinweise auf eine Vaskulitis geben können. Der:die zuständige Fachärzt:in ist grundsätzlich ein:e Fachärzt:in für Innere Medizin (Internist:in). Der erste Kontakt für Blut- und Urinuntersuchungen ist in der Regel ein:e Allgemeinmediziner:in (Hausärzt:in).

Ist eine Vaskulitis gefährlich?

Eine Vaskulitis kann für Betroffene gefährlich werden, wenn Organe wie Lunge, Nieren, Herz oder Gehirn betroffen sind. Bei allen Vaskulitiden entzündet sich die Wand eines oder mehrerer Blutgefäße und schwillt an. Das Gefäß wird enger (Stenose) und in Folge gelangt deutlich weniger Blut hindurch. Die betroffenen Gewebe und Organe werden nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt und sind in ihrer Funktion eingeschränkt. Verschließt sich ein Gefäß komplett, kommt es zu einem Organinfarkt und Gewebe stirbt ab.

In schlimmen Fällen kann es zu Organversagen kommen. Auch können Gefäße platzen und Blutungen in umliegendes Gewebe verursachen. Der Grund: Durch die anhaltenden Entzündungsprozesse werden die Gefäßwände schwächer. Möglich ist zudem, dass sich lebensgefährliche Aneurysmen bilden. Das sind Aussackungen in den Gefäßen. Je stärker die Aussackung der Gefäßwand unter Spannung steht, desto größer ist die Gefahr, dass sie reißt. Die damit verbundene Blutung ist eine lebensgefährliche Notfallsituation.

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Wie ist die Lebenserwartung bei einer Vaskulitis?

Es gibt Formen der Vaskulitis, die schwer verlaufen und für die Betroffenen lebensbedrohlich werden können, etwa bei einer Vaskulitis des Gehirns, der Lunge oder des Herzens. Aufgrund der immer besser werdenden Behandlungsmöglichkeiten sind die Sterberaten in den letzten Jahrzehnten stetig gesunken. Angaben des Städtischen Klinikums Dresden zufolge leben zehn Jahre nach der Diagnose heute noch über 90 Prozent der Patient:innen.

Vaskulitis-Behandlung: Therapie gegen Autoimmun-Prozesse

Die Vaskulitis-Behandlung setzt sich zusammen aus einer medikamentösen Behandlung und einer nicht-medikamentösen Behandlung. Im Rahmen der medikamentösen Behandlung kommen, abhängig von individuellen Krankheitsbild, unter anderem Glukokortikoide (Kortison) gegen die Entzündungsprozesse zum Einsatz. Des Weiteren können Medikamente eingesetzt werden, welche die Aktivität des Immunsystems hemmen, etwa der Wirkstoff Methotrexat oder Biologika, etwa Tocilizumab bei der Riesenzellarteriitis und Rituximab bei den ANCA-assoziierten Vaskulitiden.

Ergänzend zur medikamentösen Therapie helfen unter anderem Bewegung, Entspannungsübungen sowie psychologische Hilfe, die Beschwerden zu lindern beziehungsweise den Umgang mit der Erkrankung zu verbessern. In seltenen Fällen stellt eine Operation eine Behandlungsmöglichkeit dar. Größere, verengte Gefäße können mit einem Röhrchen, einem Stent, erweitert werden. Der Stent verbleibt im Gefäß. Auch Folgeschäden der Vaskulitis können/ müssen Ärzt:innen teilweise operativ behandeln.

Die häufigste Vaskulitis ist die Riesenzellarteriitis (Arteriitis temporalis). Zu den Symptome der Gefäßentzündung gehören starke Kopfschmerzen und Schmerzen beim Kauen, eine verhärtete oder druckschmerzhafte Arterie an der Schläfe (A. temporalis) sowie bei einer Augenbeteiligung Sehstörungen. Meist sind Frauen ab dem 50. Lebensjahr betroffen.
Vaskulitiden sind bislang nicht heilbar. Doch sie lassen sich in der Regel gut behandeln. Die Therapie kann die Lebensqualität der Betroffenen meist verbessern und die Lebenserwartung steigern. Zu den häufig eingesetzten Medikamenten gehören Kortison, Immunsuppressiva sowie Biologika. Während herkömmliche, unspezifische Immunsuppressiva das Immunsystem im Allgemeinen hemmen, richten sich Biologika gezielt gegen die Komponenten des Immunsystems, die an der Erkrankung beteiligt sind.
Biologika sind gentechnisch hergestellte Medikamente. Biologika werden mit Hilfe lebender Zellen von Mikroorganismen, Tieren und Pflanzen gewonnen, die gentechnisch verändert sind. Zu den Biologika gehören Antikörper, Proteine und Enzyme. Biologika können Entzündungsbotenstoffe, bestimmte Immunzellen sowie bestimmte Rezeptoren hemmen. Biologika finden unter anderem bei Autoimmunerkrankungen, Krebs und Stoffwechselerkrankungen Anwendung. Andere Bezeichnungen sind „Biologicals“, „Biopharmazeutika“ und „biologische Arzneimittel“.

Quellen:

rheuma-liga.de: „,Vaskulitis,“. Online-Information der Deutschen Rheuma-Liga Bundesverband e. V.

rheuma-liga.de: „,Vaskulitis – Rheumaerkrankung mit vielen Facetten. Ein Ratgeber für Betroffene,“. Online-Broschüre (Leseprobe) der Deutschen Rheuma-Liga Bundesverband e. V. (PDF).

rheuma-liga-hamburg.de: „,Diagnosegruppe Vaskulitis,“. Online-Information der Deutschen Rheuma-Liga Landesverband Hamburg e. V.

rlsh.de: „,Vaskulitis – Entzündliche, erkrankte Blutgefäße,“. Online-Information der Deutschen Rheuma-Liga Landesverband Schleswig-Holstein e. V.

seltene.rheuma-liga.de: „,Seltene Erkrankungen,“. Online-Information der Deutschen Rheuma-Liga Bundesverband e. V.

dgrh.de: „,ANCA-assoziierte Vaskulitis: Neue Standardmedikamente und weniger Kortison,“. Pressemeldung (PDF) der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie e. V.

hirnstiftung.org: „,Zerebrale Vaskulitis,“. Online-Information der Deutschen Hirnstiftung e. V.

ukw.de: „,Vaskulitiden,“. Online-Information des Uniklinikums Würzburg (UKW).

internisten-im-netz.de: „,Biologika,“. Online-Information des Berufsverbands Deutscher Internistinnen und Internisten e. V. (BDI).

gesundheitsinformation.de: „,Biologika,“. Online-Information des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG).

awmf.org: „,Zerebrale Vaskulitis und zerebrale Beteiligung bei systemischen Vaskulitiden und rheumatischen Grunderkrankungen,“. S1-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. AWMF-Register-Nr. 010-085, 2018.








Disclaimer: Dieser Text enthält nur allgemeine Hinweise und ist nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung geeignet. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Alle individuellen Fragen, die Sie zu Ihrer Erkrankung oder Therapie haben, besprechen Sie mit Ihrem behandelnden Arzt.
AL
Ann-Kathrin Landzettel
Autor/-in
Ann-Kathrin Landzettel M. A. ist Gesundheitsjournalistin aus Leidenschaft. Vor allem zwei Fragen treiben die geprüfte Gesundheits- und Präventionsberaterin an: Wie können wir lange gesund bleiben – und wie im Krankheitsfall wieder gesund werden? Antworten findet sie unter anderem im intensiven Austausch mit Ärztinnen und Ärzten sowie in persönlichen Gesprächen mit Patientinnen und Patienten. Seit fast zehn Jahren gibt sie dieses Wissen rund um Gesundheit, Medizin, Ernährung und Fitness an ihre Leserinnen und Leser weiter.
Ann-Kathrin Landzettel
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