Wie sinnvoll ist Haarewaschen ohne Shampoo? Ein Experte klärt auf
Dr. Uwe Schwichtenberg:Diese Entscheidung muss zumindest nicht schädlich für Haar und Kopfhaut sein. Allerdings teile ich die gesundheitlichen Befürchtungen nicht, die diese Menschen haben. Schädlich ist es vielmehr, das falsche Shampoo zu verwenden. Denn die Inhaltsstoffe variieren je nach Zielgruppe. Shampoos werden waschaktive Substanzen zugesetzt, die elektrisch geladen sind. Und diese müssen zur elektrischen Ladung der Haaroberfläche passen, damit die gewünschte Pflegewirkung eintritt. Ein intaktes, gefettetes Haar hat eine andere Oberflächenladung als ein ramponiertes, strohiges, trockenes Haar. Und benötigt deshalb auch ein anderes Haarwaschmittel. Marke und Preis spielen dabei in der Regel gar keine Rolle.
Schwichtenberg: Nicht in der Dosis, dass diese Schaden anrichten können. Chemische Stoffe wie Silikone, die ja oft in Shampoos beanstandet werden, lagern sich auf dem Haar ab und beschweren es dadurch. Das mag ästhetisch nicht jedem gefallen, ist aber nicht kritisch. Silikone sorgen auf der anderen Seite für eine gute Kämmbarkeit, was wiederum für den Einsatz in Haarprodukten spricht.
Wer nicht gerade einen sehr talgdrüsenreichen Hauttyp hat, wessen Kopfhaut also nicht sehr stark fettet, kann gut auf entfettende Produkte verzichten – somit auch auf Shampoo. Bei sehr talgdrüsenhaltiger Kopfhaut würde ich aber vom Shampoo-Verzicht abraten, da sich sonst ein überfettendes Ekzem bilden kann.
Schwichtenberg: Menschen mit einer trockenen, staubförmigen Schuppung bis hin zum Neurodermitiker können No-Poo gerne versuchen. Menschen mit fettigen und großen Schuppen rate ich davon ab. Die Steigerung davon wäre das Seborrhoische Ekzem. Menschen mit dieser Krankheit sollten auf keinen Fall auf Shampoo verzichten, sondern ein- bis zweimal die Woche ein passendes Schuppen-Shampoo verwenden. Bringt das keine Besserung, können sie sich vom Arzt beraten lassen, mit welchen Mitteln die Entzündung der Haut am besten zu behandeln ist.
Schwichtenberg: Wer an Haarausfall leidet, kann dieses Problem weder mit einem speziellen Shampoo noch durch No-Poo in den Griff bekommen. Denn die Haarwurzel wird vom Shampoo bei der kurzen Einwirkzeit gar nicht tangiert.
Schwichtenberg: Zunächst einmal: Wissenschaftliche Untersuchungen dazu sind mir nicht bekannt. Cola besteht zu einem Teil aus Phosphorsäure – eher eine Reizsubstanz als ein natürliches Haarwaschmittel. Roggenmehl bindet Fett und kann daher sicherlich sinnvoll sein als Shampoo-Ersatz. Honig auch, denn er hat eine leicht desinfizierende Wirkung und hilft, Keime abzutöten. Aber wer trockene Haut und kaum fettende Haare hat, kann sich auch ausschließlich mit Wasser die Haare waschen. Regelmäßiges Bürsten hilft zudem, die Kopfhaut zu massieren und die Talgdrüsen anzuregen.
Schwichtenberg: Bei Apfelessig wäre ich vorsichtig, da es sich ebenfalls um eine Säure handelt, die die Kopfhaut angreifen kann. Wer mit Ölen arbeitet, fettet seine Haare zusätzlich – das wird auch nicht für jeden Haartyp das gewünschte Ergebnis bringen.
Schwichtenberg: Ich habe Patienten, die durch Trocken-Shampoo Probleme mit ihrer Kopfhaut bekamen. Ich sehe bei der Verwendung auch keine Vorteile gegenüber herkömmlichem Shampoo.
Schwichtenberg: Der Mythos, dass die tägliche Haarwäsche grundsätzlich problematisch sei, ist für uns Hautärzte ein Riesenproblem. Denn heikel ist das nur für Menschen mit sehr trockener Haut. Die sollten sich maximal zweimal die Woche die Haare waschen, da sie mit ihrer langsamen Eigenfettung gegen die Entfettung durch die tägliche Haarwäsche gar nicht hinterherkommen. Doch Menschen mit einer starken Talgdrüsentätigkeit kommen oft nur aus einem Grund mit juckender, geröteter und schuppiger Kopfhaut zu uns: Weil sie sich nicht trauen, sich täglich die Haare zu waschen – obwohl das in diesen Fällen dringend vonnöten wäre.