Pellagra: Geschichte, Symptome und Verlauf der Vitamin-B3-Mangelkrankheit
Pellagra: Hautveränderung steckt im Namen
Pellagra nennt der italienische Arzt Francesco Frapolli im 18. Jahrhundert eine geheimnisvolle, Krankheit, die seit einigen Jahrzehnten große Teile der Bevölkerung Norditaliens befällt und bisweilen tödlich endet. Die Bezeichnung leitet sich vom Ausdruck „pelle agra“ ab, zu Deutsch: raue Haut. Denn eines der Hauptkennzeichen dieser Krankheit sind auffällige, oft schmerzhafte Hautveränderungen:
- Rötungen
- Hautverdickungen
- Starker Juckreiz
- Schuppung
- Bläschen
- Nässende Ekzeme
- Krustenbildung
- Nach einiger Zeit: bräunliche bis braunschwarze Pigmentierung der Haut
Weitere Symptome der Pellagra-Krankheit
Neben den typischen Pellagra Hautveränderungen, die vor allem an Stellen auftreten, die dem Sonnenlicht ausgesetzt sind, gibt es zahlreiche andere Symptome, die Pellagra kennzeichnen. Sie können im Verlauf der bisweilen Jahre andauernden Erkrankung abwechselnd auftreten. Zum Beispiel:
- Gliederschmerzen
- Appetitverlust
- Abgeschlagenheit
- Fieber
- „Löffelnägel“: brüchige Nägel, löffelartig verformt
- Schädigungen der Schleimhäute, z.B. Geschwüre im Mundraum
- Zahnfleischentzündungen (Gingivitis)
- „Himbeerzunge“: Intensiv rote, geschwollene Zunge
- Appetitlosigkeit
- Erbrechen
- Darmstörungen wie Durchfall, aber auch Stuhlverstopfung
Zudem zählen Störungen des Nervensystems zu typischen Anzeichen von Pellagra, darunter:
- Schwindel
- Kopfschmerzen
- Konzentrationsverlust
- Depression
- Gedächtnisstörungen
- Lähmungen
- Krämpfe
- Tremor
- Verwirrtheit
- Demenz
Grund für Pellagra lange ungeklärt: Einseitige Ernährung mit Mais
Nicht nur in Italien, auch in anderen Regionen Südeuropas trat die Pellagra zur Zeit des Mediziners Frapolli gehäuft auf. Was war der Grund?
Schon im 18. Jahrhundert vermuteten Ärzte, dass die Ursache mit der Ernährung zusammenhängen könne. Denn die Pellagra traf vor allem ärmere Regionen, deren Bevölkerung eine einseitige Ernährung mit Mais vollzog. Dieses neue, leicht anzubauende Getreide mit hohem Ernteertrag war nach der "Entdeckung" Amerikas durch Christoph Kolumbus aus Mexiko nach Europa gekommen und hatte sich schnell verbreitet.
Pellagra: Vitamin-B3-Mangel als Ursache
Zunächst gingen die Mediziner davon aus, dass verschimmelter oder vergifteter Mais die Ursache von Pellagra sei. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts konnten Forscher den wahren Grund für die Entstehung der Krankheit identifizieren.
Demnach handelt es sich bei Pellagra um eine Vitamin-Mangelkrankheit (Hypovitaminose), die durch zu wenig Vitamin B3 (Niacin) ausgelöst wird, in der Regel in Kombination mit einem Proteinmangel. Und tatsächlich war eine sehr einseitige Ernährung mit Mais der Grund für die Verbreitung der Krankheit. Das Getreide aus der „Neuen Welt“ enthält Niacin lediglich in einer gebundenen Form, die der Körper nicht verwerten kann.
Entdecker brachten Mais mit – aber nicht das richtige Rezept
Warum aber war Pellagra in Mexiko nicht verbreitet? Der Grund: Die Konquistadoren hatten zwar das Getreide, nicht aber das Rezept zur Zubereitung von rohem Mais mit nach Europa gebracht. Denn die Bewohner Mittelamerikas behandeln das Getreide vor dem Verzehr mit Kalkwasser. Dank dieser Jahrtausende alten Technik (Nixtamalisation) werden die Inhaltstoffe im Mais für den Körper besser verwertbar. Unter anderem wird das im Mais vorhandene Niacin aus seiner gebundenen Form herausgelöst und kann vom menschlichen Körper aufgenommen werden.
Auch Stoffwechselstörung kann Pellagra-Symptome auslösen
Heutzutage tritt Pellagra in Europa nur noch sehr selten auf, da die Bevölkerung in der Regel ausreichend mit Vitamin B3 versorgt ist. Gefährdet sind vor allem Menschen, die sich sehr einseitig, nicotinsäurearm ernähren, zum Beispiel Essgestörte. Auch in armen Gegenden Afrikas kommt Pellagra aktuell noch vor. Neben Mais kann auch eine überwiegende Ernährung mit Sorghumhirse der Auslöser sein, da auch das Niacin der Hirse vom Körper nicht verwertet werden kann.
Neben Mangelernährung kann allerdings auch ein genetischer Defekt für das Auftreten von Pellagra-Symptomen verantwortlich sein: Die sogenannte Hartnup-Krankheit, eine Stoffwechselstörung.
Behandlung von Pellagra
Um Pellagra zu behandeln, werden den Patienten in der Regel kurzzeitig hohe Gaben von Nicotinsäure oder Nicotinamid verabreicht, um den Vitamin-B3-Mangel auszugleichen. Oft geschieht dies in Kombination mit weiteren Vitaminen. Parallel ist eine Umstellung der Ernährung angezeigt.