Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz
© AntonioGuillem/ iStock / Getty Images Plus
Letztes Update am: 

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz

Jede zweite Frau hat in Deutschland eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erfahren. Bei den Männern ist es immerhin noch jeder Achte. Dies ergab eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur vom Oktober 2017, die das Institut YouGov durchführte. Die Diskussion um sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz entfachte sich zuletzt an den Vorfällen rund um den US-Filmproduzenten Harvey Weinstein. Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist keine Seltenheit, wird im Alltag aber oftmals heruntergespielt. Dabei unterliegen Arbeitgeber der Pflicht, ihre Arbeitnehmer aktiv vor sexueller Belästigung zu schützen.

Was ist eine sexuelle Belästigung?

Der Gesetzgeber definiert im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), was eine sexuelle Belästigung ist. Das AGG spricht in § 3 IV AGG von einem

„unerwünschten, sexuell bestimmten Verhalten, das auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen[umfasst]“.

Das Bundesarbeitsgericht fordert in seiner Definition (Urteil vom 29. Juni 2017, Aktenzeichen: 2 AZR 302/16), dass das Verhalten des Tatverdächtigen die Menschenwürde verletzt. Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist oftmals nicht mit einer sexuellen Absicht gekoppelt, sondern eine Demonstration von Macht. Diese resultiert aus sozialen Bindungen am Arbeitsplatz und dem Über- und Unterordnungsverhalten zwischen Vorgesetzten und Arbeitnehmern.

Wann liegt eine Strafbarkeit vor?

Die allgemeine Belästigung nach dem AGG fordert ein kontinuierliches und sich wiederholendes Verhalten. Bei der sexuellen Belästigung reicht hingegen schon eine einzige Verfehlung aus, um die Schutzfunktion des AGG auszulösen. Die Tatverdächtigen haben auch strafrechtliche Konsequenzen zu fürchten. Vergewaltigungen, exhibitionistische Handlungen und der sexuelle Missbrauch von Schutzbefohlenen sind gleichfalls strafbar.

Eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erfordert keine verschiedenen Geschlechter. Sexuelle Belästigung ist auch möglich, wenn Tatverdächtige und Opfer das gleiche Geschlecht haben.

Typische Fälle sexueller Belästigung

Ob eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz vorliegt, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. In den folgenden Situationen haben die Gerichte eine sexuelle Belästigung angenommen:

- Schlag auf das Gesäß

- Umfassen der Hüfte

- Berührung der weiblichen Brust

- anzügliche Bemerkungen

- Streicheln des Rückens

- Anfassen des Körpers

- heimliches Fotografieren des Gesäßes

- Heranrutschen auf einer Couch

- aufgedrängte Küsse

- Aufhängen pornographischer Bilder

- E-Mails mit eindeutig sexueller Absicht

Einigen Personen fällt die Einschätzung, ob eine Aussage oder ein Verhalten sexuell motiviert ist, schwer. Viele Aussagen sind zu kritisieren, stellen aber gleichwohl keine sexuelle Belästigung dar. Ein „Herrenwitz“ auf einer Baustelle oder ein freundliches Streicheln des Rückens auf einer Betriebsfeier ist milder zu werten als eine anzügliche Bemerkung im Konferenzsaal. Die Gerichte prüfen jeden Einzelfall und werten die Umstände der Situation und den üblichen Umgang in dem Berufsfeld.

Schutzpflicht der Arbeitgeber

Arbeitgeber sind dazu verpflichtet, ihre Arbeitnehmer vor sexuellen Übergriffen zu schützen. Ein Gerichtsverfahren ist der letzte Ausweg, um sexuelle Belästigungen zu unterbinden. Die Beteiligten empfinden Prozesse als sehr unangenehm. Diese eignen sich dazu, das Betriebsklima dauerhaft zu stören.

Bei leichten sexuellen Belästigungen sollte zunächst der Arbeitgeber eingeschaltet werden. Dieser hat vorbeugende Maßnahmen zu treffen, um weitere sexuelle Belästigungen zu unterbinden. Dafür stehen ihm verschiedene Maßnahmen wie beispielsweise eine Abmahnung, Kündigung oder eine Versetzung zur Verfügung.

Die Aussagen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes und die damit verbundenen Möglichkeiten sind im Betrieb bekannt zu machen. Der Arbeitgeber kann auch eine konkrete Person benennen, die Beschwerden über sexuelle Belästigungen entgegennimmt. Die Betroffenen sollen die Möglichkeit haben, sich an einen Ansprechpartner mit dem gleichen Geschlecht zu wenden.

Erfolgt die Belästigung eines Arbeitnehmers durch einen Dritten, beispielsweise durch einen Lieferanten, muss der Arbeitgeber auch dort aktiv eingreifen. Er muss die Geschäftsverbindungen notfalls aufkündigen oder einen anderen Arbeitnehmer einsetzen.

Die Rechte Betroffener

Arbeitnehmer, die einer sexuellen Belästigung ausgesetzt sind, können sich bei verschiedenen Stellen beschweren. Sie dürfen sich an den Arbeitnehmer, die betriebliche Beschwerdestelle oder an den Betriebsrat wenden. Diese haben die Beschwerde zu prüfen und dem Beschwerdesteller das Ergebnis mitzuteilen.

Sollte der Arbeitgeber nicht aktiv in das Geschehen eingreifen, darf ihn der geschädigte Arbeitnehmer auf Schadensersatz oder Zahlung einer Entschädigung verklagen. Der Gesetzgeber führte dieses Recht ein, um eine präventive Wirkung zu entfalten und betroffenen Arbeitnehmern Genugtuung zu verschaffen. Viele Arbeitnehmer leiden unter einer sexuellen Belästigung und haben psychische Qualen, die in einer Therapiebedürftigkeit münden können.

Sollte der Arbeitgeber trotz Aufforderung keine geeigneten Maßnahmen ergreifen, darf der Arbeitnehmer die Arbeit verweigern. Er bekommt dann trotz Arbeitsverweigerung seinen Lohn ausbezahlt. Dies gilt insbesondere, wenn eine Wiederholungsgefahr gegeben ist.

Hilfe durch den Betriebsrat

Der Betriebsrat sollte schon vor dem Einreichen einer offiziellen Beschwerde tätig werden. Es genügt, wenn er von einer sexuellen Belästigung Kenntnis erlangt. Der Betriebsrat soll eine gütliche Einigung anstreben, die beide Seiten zufriedenstellt. Ist erst einmal eine offizielle Beschwerde eingegangen, ist eine gütliche Einigung nur noch selten möglich.

Die Betroffenen ziehen dann sehr oft vor Gericht, allein aus Beweiszwecken oder um ihr Gesicht zu wahren. Ergreift der Arbeitgeber gegen einen Arbeitnehmer Maßnahmen, hat der Betriebsrat ein Mitspracherecht. Dieses ergibt sich aus §§ 87 I Nr.1, 99 ff., 102 BetrVG.

Profilbild von Matthias Wurm
Matthias Wurm
Autor/-in
Neben dem Studium der Rechtswissenschaft an der Philipps-Universität Marburg schloss Matthias Wurm LL.M ein weiteres Studium in Corporate Governance and Financial Law an der Glashow University in Schottland ab. Seit 2018 promoviert er zum Dr. iur. an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. In den Themengebieten Recht und als SEO-Spezialist ist er als Fachredakteur tätig. Er ist Mitglied der Rechtsanwaltskammer in Köln.
Matthias Wurm
Wie finden Sie diesen Artikel?